- „Hey, wir machen eine Demo gegen den Kopp-Verlag! Kommst Du mit?“
- „Ach, super! Ja, das finde ich gut. Das sind ja wirklich zum Teil ganz schlimme Bücher, die da verbreitet werden.“
- „Eben! Cool, dass Du dabei bist!“
- „Ja. Aber sag mal, der Verlag hat auch normale Bücher, oder?“
- „An was für Bücher denkst Du denn? An den Gartenbau?“
- „Na, zum Beispiel. Und so alternative Blicke auf Gesundheitsthemen auch, oder?“
So oder so ähnlich sind viele meiner Gespräche in den letzten Wochen abgelaufen. Grund genug, sich die Gesundheitssparte des Kopp-Verlags einmal genauer anzuschauen! Ich bin selbst am Ende meines Medizinstudiums in Tübingen und habe also noch viele Jahre im deutschen Gesundheitssystem und in der Fürsorge für Patient:innen vor mir.
Im Sortiment des Kopp-Verlags bildet die „Literatur“ zu Gesundheit einen riesigen Anteil. „Medizin & Gesundheit“ ist die erste Kategorie, die vorgeschlagen wird, wenn man beim Verlag nach Büchern sucht. Die Unterthemen sind zum Beispiel Ernährung, Naturheilkunde und Jung bleiben, aber auch Krebs oder Corona, sowie ein mysteriöses Was Ärzte Ihnen nicht erzählen. Unter der Liste der Top 20 der meistverkauften Bücher des letzten Jahres finden sich allein sieben aus der Gesundheitssparte, darunter zum Beispiel das „Praxisbuch CDL“, das „Praxisbuch DMSO“, und, passt gut auf, das „Praxisbuch Methylenblau“.
Die dazu passenden Produkte kann man dann direkt im Shop kaufen. Auf der Startseite wird das Dimethylsulfoxid, das DMSO zu einem der Praxisbücher, ebenso angeboten wie diverse sogenannte kolloidale Metalle, also Lösungen mit winzigen Gold- oder Silberpartikelchen, und weitere Tinkturen. Wir haben also eine umfassende Vermarktung von Produkten, deren Wirksamkeit nicht bestätigt ist und deren Nebenwirkungen nicht richtig erfasst werden.
DMSO als Mittel wurde beispielsweise in den 60er Jahren in den USA und für wenige Monate auch in Deutschland untersucht und verkauft, bis ungeklärte Todesfälle und Augenschäden an Tieren zu einem Stopp des Verkaufs und der Untersuchungen führten.
CDL, Chlordioxid, hatte in den letzten Jahren einen Hype als angebliches Mittel gegen Covid erfahren. Dabei handelt es sich um ein industrielles Bleichmittel, im Zusammenhang mit dessen Einnahme es zu Vergiftungen und Todesfällen kam, die zum Teil heute juristisch untersucht werden. Der Kopp-Verlag verkauft nicht nur das Praxisbuch, sondern auch direkt CDL-Lösungen.
Färbemittel Methylenblau hat tatsächlich einzelne Anwendungsgebiete in der Medizin und wird beforscht – sowohl was die Wirkung, als auch, was die zahlreichen Nebenwirkungen des häufig giftig wirkenden Mittels betrifft. Das Praxisbuch Methylenblau verspricht aber schon heute selbstbewusst, über das „Geheimnis der Verjüngung und Heilung jedes Menschlichen Körpers“ aufzuklären, und ist sich nicht zu schade, einzelne Verweise auf wissenschaftliche Studien kontextlos heranzuziehen und damit trotz aller Ablehnung der Wissenschaft Seriösität durch vermeintliche wissenschaftliche Prozesse vorzugaukeln.
Details zu den kolloidalen Metallen erspare ich Euch jetzt, aber da sieht es ganz ähnlich aus.
Die Bücher des Kopp-Verlag gefährden ihre Leser:innen und unsere Patient:innen ganz direkt, indem sie ihnen selbstbewusst Mittel verkaufen, die in den meisten Fällen nicht wirken, in einigen aber schädlich sein können, weil sich die Menschen schlicht und einfach vergiften können.
Hinzu kommt eine weitere Gefährdung durch die Ablehnung etablierter Therapien: In der Kategorie „Krebs“ wird davon abgeraten, sich einer Chemotherapie zu unterziehen, sondern stattdessen den Krebs mit Entschlackung und Vitaminen zu heilen. Statistiken zur Wirksamkeit von Krebsmedikamenten seien angeblich von der Krebsindustrie oder Krebsmafia manipuliert, Ärzt:innen seien von der Pharmaindustrie gesponsert und korrupt. Was die Bücher, die sich direkt an Krebspatient:innen richten, stattdessen empfehlen, sind wieder vermeintlich unterdrückte, nun aber exklusiv erörterte Geheimmittel. Dieser angebliche Zugriff auf Geheimwissen ist ein typisches Muster esoterischer Lehren, die einerseits undemokratisch und unethisch sind, und andererseits so falsch, dass sie in der Medizin nichts verloren haben.
Wiederkehrend werden all diese Stoffe – und allein durch die zum Teil identische Aufmachung und Formulierung zeigt sich ja schon, dass sie eigentlich wahllos austauschbar sind – als Allheilmittel präsentiert. Alle Tinkturen aus den Praxisbüchern etwa stoppen das Altern, „entgiften“, sie helfen gegen jedes Rheuma (und allein unter diesen Begriff fallen hunderte sehr verschiedene Erkrankungen!), gegen Krebs, gegen neurologische Krnankheiten, Schmerzen, (Autismus). All diese Krankheitsgruppen haben medizinisch nichts miteinander gemeinsam, und für jede existieren einzelne ganze Wissenschaftsdisziplinen, die sich damit beschäftigen. Was es mit Sicherheit nicht gibt, sind Mittel, die gegen jede dieser Erkrankungen wirken, aber nicht eingesetzt werden.
Was diese Krankheiten aber gemeinsam haben, ist, dass sie mit einem hohen Leidensdruck für Patent:innen und Angehörige verbunden sind, also für Menschen, für die die Therapien qualvoll sind, die unter unsicheren Prognosen und Schmerzen leiden, und die möglicherweise in unserem Gesundheitssystem, das natürlich viele Mängel hat, auch schlechte Erfahrungen gemacht haben. Was die Bücher des Kopp-Verlag tun, ist, diesen Menschen in zum Teil existentieller Not oder beispielsweise auch denen, die wie die meisten Menschen in Deutschland große Angst haben, an Krebs zu erkranken, falsche Versprechen zu machen. Und das, Menschen in ihrer Not oder ihrer Angst auszunutzen, das ist unlauter und nicht okay.
Denn es ist leider so, dass die Therapie, die komplex erkrankte Menschen brauchen – sei es der Bluthochdruck, die Arthritis oder das Bronchialkarzinom – , eben auch komplex, schwierig, langwierig und oft leidvoll ist. Der Kopp-Verlag verspricht einfache Heilung, und dieses Angebot können wir als Mediziner:innen nicht machen. Der Kopp-Verlag ist dann aber nicht da, wenn die Heilung nicht eintritt, er begleitet nicht und er übernimmt auch keine Verantwortung: Kein Autor muss sich im Gespräch vor den Patient:innen rechtfertigen, denn im Zweifel, wenn keine Genesung eintritt, liegt es niemals an den Esoterikern und ihren Versprechen, sondern am Patienten selbst, der nicht richtig geglaubt hat, sich doch in schulmedizinische Behandlung begeben hat, oder einfach schon zu vergiftet war.
Wer da aber ist, sind Ärzt:innen, und was den Patient:innen dann oft hilft, sind zwei Dinge: Einerseits ist es gut, wenn sie ihre Krankheit und ihre Therapien verstehen. Deshalb hat Gesundheitsbildung für uns auch so einen hohen Stellenwert. Der Kopp-Verlag mit seinen Unwahrheiten aber arbeitet hier aktiv gegen uns.
Was darüber hinaus hilft, ist ein gutes Verhältnis zwischen Behandler:in und Patient:in. Der KoppVerlag, sein „Was Ihnen die Ärzte verschweigen“ und die permanente Unterstellung, alle seien korrupt und würden absichtlich falsche Therapien durchführen, schaden hier auch. Der Verlag, der „Unabhängigkeit“ im Medizinischen System verspricht, macht die Patient:innen damit noch abhängiger, weil er Bildung verringert, eine Beziehung auf Augenhöhe zerstört und er den Patient:innen viele Ressourcen nimmt, die den Leidensdruck verringern können.
Und, um an dieser Stelle Missverständnisse zu vermeiden: Es ist gut, wenn Patient:innen sich mit ihrer Krankheit und Menschen mit ihrem Lebensstil und ihrer Gesundheit selbstständig auseinandersetzen. Es gibt Naturheilverfahren, die wirken, und es gibt Dinge, die nicht direkt wirken, aber guttun. Meinen Patient:innen würde ich davon nicht abraten. Die Lehren des KoppVerlag fallen aber nicht in diese Kategorie, weil sie sich jeder Basis, jedes kritischen Austauschs und überhaupt jeder Kommunikation entziehen.
Aber wir sind noch nicht am Ende des Problems: Wie ich vorhin gesagt habe, sind die Bücher zu Gesundheit Kassenschlager beim Kopp-Verlag. Damit verdient ein rechter Verlag an diesem Thema, und allein das ist für mich schon schwierig genug zu ertragen. Aber auch inhaltlich gibt es Übergänge vom Lifestyle-Buch zu offen menschenfeindlichen Ideologien:
Das exklusive Versprechen von geheimen „Informationen“, die sich nicht überprüfen lassen und meist angeblich sogar aktiv verheimlicht werden, ist das gleiche Muster, wie es sich auch bei den anderen Büchern im Kopp-Verlag findet. Und spätestens seit der Pandemie und dem Erstarken von Verschwörungserzählungen ist der Zusammenhang offensichtlich.
Auch beim Kopp-Verlag finden sich direkt neben den Ratgebern die klassischen Verschwörungserzählungen zur „Plandemie“, zu Bill Gates und so weiter. Der Übergang zu rechten und antisemitischen Verschwörungstheorien erfolgt dann nicht erst mit den Vorschlägen „Wird oft zusammen bestellt“.
Die Gesundheitsliteratur ist also nicht ein harmloses Add-On, es sind nicht Bücher, die der KoppVerlag „auch noch“ verkauft. Die kleinen Bücher zur Gesundheit fördern und normalisieren einen irrationalen Zugang zur Welt, mit dem die Gesprächsfähigkeit endet. Die Vermarktung von vermeintlichem Exklusivwissen ist zudem in ihrer Idee, wie gesagt, antidemokratisch.
Das Ringen um eine demokratische Gesellschaft muss deshalb auch durch eine richtige, menschenfreundliche Haltung im Gesundheitswesen erfolgen.
In meinen Augen machen wir das am besten, indem wir die Probleme, die es ja gibt, tatsächlich angehen:
Es sind im Gesundheitswesen extreme Abhängigkeitsverhältnisse möglich. Damit sich Patient:innen weniger ausgeliefert fühlen und selbst Entscheidungen treffen können, müssen sie ihre Krankheiten und Therapien verstehen. Der Kopp-Verlag verschärft dieses Problem durch seine Fehlinformationen, und gerade, wenn er uns Steine in den Weg legt, muss Gesundheitsbildung einen hohen Stellenwert haben. Verstärken müssen wir insbesondere das Wissen im Bereich der Prävention.
Weiterhin müssen wir dafür kämpfen, dass unsere öffentliche Infrastruktur nicht vor die Hunde geht, denn sonst kommt es tatsächlich dazu, dass Menschen im Stich gelassen werden. Das gilt für die Gesundheitsinfrastruktur, in der es an geriatrischer Versorgung, ländlicher Versorgung, Medikamenten und Pflegekräften mangelt. Es gilt aber auch für Bildung oder Mobilität, weil sie Zugangsvoraussetzung sind. Auch hier steht uns der Kopp-Verlag mit seiner Verbreitung von Exklusivitätsgedanken entgegen.
Und wir müssen den Gesundheitsgefahren, die uns alle betreffen, auch alle zusammen entgegentreten. Es gibt große Gefahren durch Umweltgifte, durch Feinstaub, durch schlechte Arbeitsbedingungen und natürlich den Klimawandel – die Allergiker:innen von Euch werden es heute gemerkt haben. Der Kopp-Verlag verschleiert diese Probleme, indem er seine absurderweise als ganzheitlich angepriesenen Heilsversprechen nur an Individuen richtet. Aber diese Probleme sind größer als wir alleine, mit oder ohne Haferentgiftung, und echte Lösungen können nicht individuell gefunden werden. Wir müssen gemeinsam für eine gute und gesunde Zukunft kämpfen, und zwar mit allen für alle.
Deshalb danke, dass Ihr heute mit mir hier seid. Der Kopp-Verlag ist Teil eines großen Problems, das durch falsche Lösungsversprechen nur noch verstärkt wird. Und damit, für die Patient:innen, für mich und meine Kolleg:innen, und für uns alle: Stopp Kopp!