Redebeitrag: Antisemitismus und der Kopp-Verlag

Der Antisemitismus sei das „Gerücht über die Juden“. So hat es einst Adorno in den Minima Moralia formuliert. Im „Gerücht“ wird phantasiert: imaginiert wird die Macht einer kleinen bösen Gruppe, die uns doch alle gefährdet; nein, die den Fortbestand der guten Welt gefährdet.
Antisemitismus arbeitet mit Phantasmen. Antisemitismus arbeitet mit Gerüchten. Sie sind zwar haltlos und doch habe ich den Eindruck: sie lassen sich nicht aus der Welt entfernen.
Und daran verdient der Rottenburger KOPP-Verlag sein Geld. Die Verbreitung von Gerüchten und Imaginationen über eine böse kleine Elite sind ein Geschäftsmodell. Und das ist mit aller Deutlichkeit abzulehnen. Daher danke ich allen, die heute hier sind; die diesen Aufruf initiiert und mit unterstützt haben; und ich danke allen, die sich hier in Rottenburg, v.a. in der Kommunalpolitik aktiv gegen den KOPP-Verlag gestellt haben und das weiter tun.
Gerüchte, das wissen wir, sie sind fies; sie verbreiten sich nicht nur in Social Media verdammt schnell; sie erzählen Unsinn über Menschen. Und Gerüchte über Minderheiten sind gesellschaftlich leider wieder viel zu sehr en vogue; mit ihnen wird Politik des Hasses gemacht; und an so vielen Orten, und eben auch im KOPP-Verlag wird mit Gerüchten Geld verdient.
Doch der KOPP-Verlag verbreitet nicht irgendwelche Fakes und Gerüchte. Der KOPP-Verlag steht in einer unsäglichen Tradition, „Gerüchte über die Juden“ zu verbreiten. Heute geschieht das weniger explizit. Und doch: die Klaviatur, die hier bespielt wird, bringt die alten Klänge des Antisemitismus hervor.

Ich will wenige Kommentare voran schicken, was ich unter Antisemitismus verstehe. Ich will damit deutlich machen: Nicht nur dort, wo der blanke, hässliche und rassistische Judenhass durchbricht, sehen wir den Antisemitismus am Werk. Nein gefährliche, antisemitische Motive kommen auch ohne den expliziten Bezug auf das Judentum aus.
Antisemitismus in seiner blanken, dumpfen und expliziten Form des Hasses gegen ‚die Juden‘ war und ist auf Ausgrenzung, Gewalt und Vernichtung aus. Doch die antisemitischen Motiven ohne expliziten Bezug auf das Judentum waren und sind das Rezept. Sie sind das Rezept zur verbrecherischen Gewalt.
Im deutschsprachigen Raum ist der Antisemitismus nach 1945 tabuisiert worden. Selbst unter vielen deutschen Täter:innen und unter überzeugten Nazis verbot es sich, nach der Shoah weiter gegen ‚die Juden‘ zu hetzen. Das Nachkriegs-Schweigen und das Wegschieben der NS-Zeit haben zur Verdrängung geführt: In der postnazistischen Gesellschaft wurde nicht mehr blindlings auf ‚den Juden‘ geschimpft. Das Problem dabei: die Tabuisierung des expliziten Antisemitismus hat zu keiner kritischen Aufarbeitung der langen Traditionslinien des Antisemitismus und des christlichen Judenhasses geführt. Mit der Befreiung von Auschwitz wurden die Deutschen nicht von ihrem Antisemitismus befreit. Die jahrhundertelange kulturelle und gesellschaftliche Imprägnierung durch den Antisemitismus blieb präsent. Der kulturelle Code des Antisemitismus er waberte nach der Shoah weiter. Der Antisemitismus wirkte und wirkt fort. Er ist bis heute die große Gefahr für eine offene und vielfältige Gesellschaft.
Dort, wo die Welt schön einfach in schwarz und weiß gezeichnet wird; dort, wo es klar ist, wer die Bösen und wer die Guten sind; dort, wo einer kleinen bösen Elite die Schuld an allem Leid der Welt zugeschoben wird; dort, wo in Verschwörungserzählungen geraunt wird, welche geheime Machenschaften im Hintergrund am Werk sind, die auf Weltherrschaft gerichtet sind; dort, wo die strukturellen Fehler des Kapitalismus auf die Gelüste einer „Finanzoligarchie“ geschoben werden; dort, wo in christlicher Predigt weiter vom jüdischen Gott der Rache die Rede ist; dort, wo ohne jede Irritation gänzlich und allein Israel verantwortlich für den ausbleibenden Weltfrieden ist; dort, wo die Shoah bagatellisiert und der Nationalsozialismus als ein Vogelschiss bezeichnet wird; dort, wo die Wirklichkeit nicht in Ambivalenzen gedacht wird – ja überall dort wirken die Mechanismen der jahrhundertealten antisemitischen Ressentiments und Motive weiter. Diese Gerüchte über eine kleine Elite, über die vermeintlich Bösen, über die Verschwörer: all das löst Ängste aus. Und es löst Aggressionen und Gewaltfantasien gegen die vermeintlichen bösen Eliten, gegen Migrant:innen, gegen Jüdinnen:Juden aus.
Was hat das nun alles mit dem Rottenburger KOPP-Verlag zu tun?
Zunächst: KOPP vertreibt massenhaft die antisemitischen Motiven in Büchern, die in der extremen Rechten populär sind. Wer die hetzerischen Texte des ehem. AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon lesen möchte, wird im Vertrieb von KOPP fündig. Gedeon hält die gefälschten und antisemitischen „Protokolle der Weisen von Zion“ für eine plausible Quelle.
Wer Geschichtsrevisionismus in Büchern aus dem extrem rechten Spektrum kaufen möchte, bestellt bei KOPP. Von Verlagen wie Antaios oder dem Nachfolger des Grabert-Verlages, dem Buchdienst Hohenrain – die ganze Palette der rechtsextremen Verlage findet sich im Angebot von KOPP.
Doch der Vertrieb von Büchern ist das eine; das andere sind Bücher, die von KOPP selbst herausgegeben werden:
Doch auch hier zeigen sich alle Abgründe von antisemitischen Codes, Motiven und Chiffren. Es ist immer das gleiche Prinzip: Aus geheimen Quellen, die bisher unterdrückt blieben, präsentiert der KOPP-Verlag „atemberaubende“ Informationen über eine kleine Elite, die im Verdeckten das Böse in die Welt bringt.
Auf einige Beispiele dieser Verschwörungserzählungen a la KOPP will ich eingehen:
Unter den beliebtesten Büchern des Verlages im vergangenen Jahr findet sich: „George Soros‘ Krieg: Der Milliardär, der Ukrainekrieg und die deutschen Medien“. In diesem Buch wird behauptet: Der reiche Amerikaner Soros habe die Maidan-Revolution in der Ukraine 2014 und andere demokratische Umstürze in Osteuropa finanziert und organisiert; und weiter: der jüdische Philanthrop ist der eigentliche Schuldige an Putins-Krieg in der Ukraine. Er habe diesen Krieg angezettelt. Und wer meint, dass in der deutschen Medienlandschaft frei über den Krieg in der Ukraine berichtet werden könne, wird von diesem Buch eines Besseren belehrt. Denn die öffentlich-rechtlichen Medien, Der Spiegel und Die Süddeutsche Zeitung stehen alle unter dem Einfluss von Soros – ja, sie berichten doch auf Geheiß von Soros alle das Gleiche.
Er steuert Revolutionen, Kriege und hält die Macht über die Medien. Der Name „George Soros“ ist heute wie früher „die Rothschilds“ symbolischer Platzhalter für die Verschwörungsideologie vom jüdischen Finanzkapital. Obwohl Soros Trumps Wahl nicht verhindern konnte, wird er zum heimlichen „Weltherrscher“. Soros ist – und das ist auch mittlerweile kein besonderes Insider-Wissen der Antisemitismusforschung: Soros ist weltweit zum Kern einer antisemitischen Projektionsfläche geworden. Und der KOPP-Verlag setzt bewusst auf diese antisemitische Chiffre.
Wenn wir bei der angeblichen Manipulation der Medien sind: Zu erwähnen ist auch das Buch die „Gekauften Journalisten“. Das Buch ist ein pseudo-investigativer Zusammenschnitt über korrupte Medien in Deutschland. Behauptet wird: Natürlich lassen sich Zeitungsartikel in großen Medien in Deutschland kaufen: Aus den Medienhäusern werden die Leser:innen bewusst getäuscht. Ist es nun nicht George Soros, der hier die Medien korrumpiert, so raunt Udo Ulfkotte, Autor des Buches: dahinter steckt doch die „Hochfinanz“. Auch wenn dieser Begriff in der Öffentlichkeit aktuell wieder verstärkt genutzt wird; uns sollte bewusst sein, dass der Begriff „Hochfinanz“ ab den 1920er Jahren eine steile NS-Karriere nahm: Er wurde dafür eingesetzt, jüdische Bankiers als Feinde des einfachen Volkes zu beschrieben. Ein Klassiker der NS-Literatur forderte im Jahr 1935 den „Kampf gegen die Hochfinanz“ – das wiegelte auf und war Teil der Legitimation des Massenmordes.
Der KOPP-Verlag trägt dazu bei, dass NS-Sprache in Deutschland wieder hoffähig wird. Wer hier unschuldig tut, trägt direkt dazu bei, dass es wieder geschehen kann.
Es wiederholen sich die Muster im KOPP-Verlag, wenn wir auf die Verbreitung von Verschwörungserzählungen blicken:
Zu erwähnen ist vielleicht als ein Beispiel unter vielen das KOPP-Buch „Plandemie“. Bereits wenige Monate nach Ausbruch der Corona-Pandemie erscheint das Buch. Und auch hier, wen wird es überraschen, wird eine kleine Elite bezichtigt, alles gesteuert zu haben:
Zitat: „Von der Wahl des Virus über die Art, wie es gehandhabt und in den Medien vermarktet wurde, bis hin zu den Lösungsstrategien wurde alles so angelegt, dass sich eine ausgewählte Gruppe von Milliardären mit ihren Lakaien auf unsere Kosten bereichern kann.“
Hier wird geraunt: eine Gruppe von Milliardären hat das alles gesteuert. Die gesamte Pandemie auf „unsere Kosten“ – es ist das immer wieder kehrende Spiel: „Die kleine, steinreiche Elite da oben steuert doch alles Böse gegen uns“.
Die Codes des Antisemitismus – sie wiederholen sich in den Büchern des KOPP-Verlage. Die Liste der VE, die bei KOPP verlegt werden, ist lang: Sei es über den Great Reset, die Neue Weltordnung, den „Bevölkerungsaustausch“ in Europa, eine Klimadiktatur – KOPP lässt nichts aus: immer sind es die geheim agierenden Eliten, die Böses im Schilde führen. Auf all die Gerüchte könnte ich eingehen – und doch, die Bilder wiederholen sich in einer Endlosschleife. Im Endeffekt sind es immer und immer wieder die „Gerüchte über die Juden“, die verbreitet werden. Die Antisemitismen, mit denen der KOPP-Verlag hier arbeitet, sind derart eingängig und gleichzeitig so extrem gefährlich: Denn was ist die Reaktion, wenn Menschen beispielsweise im KOPP-Buch „Demozid“ folgendes lesen: dass eine kleine Elite um (wer hätte es gedacht…) den israelisch-jüdischen Schriftsteller und Historiker Yuval Noah Harari einen Mord an der Weltbevölkerung planen? Reduzierung der Weltbevölkerung von 8 Milliarden auf 100 Millionen!
Was sind die Reaktionen auf solche Schreckensbilder? Was lösen sie aus? Sie lassen die Lesenden nicht unberührt, sondern erzeugen Affekte.
Antisemitische Ressentiments sind derart gefährlich, weil sie zu Gewalt anstacheln. Ja, dass Journalist:innen, dass Jüdinnen und Juden, dass Migrant:innen oder dass Politiker:innen immer stärker gefährdet sind, dass sie körperlich angegriffen werden, ermordet werden: das hat auch mit der Dauerbeschallung durch Verschwörungserzählungen zu tun.
Nochmal: Der Antisemitismus ist eine enorme Gefahr. Diese Gefahr geht auf blinde Gerüchte zurück, die vom KOPP-Verlag verbreitet werden.
Wer also Nein zum Antisemitismus sagt: der kommt nicht an einem deutlichen „Stopp KOPP“ vorbei.

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